Zwänge und zwanghafte Persönlichkeitsstruktur

Fragezeichen

Was sind Zwänge?

Jeder Mensch ist bestimmten Alltagszwängen unterworfen. So müssen die Meisten beispielsweise unter der Woche zu einer bestimmten Zeit aufstehen, damit sie pünktlich bei der Arbeit oder in der Schule sind. Auch eine gewisse Körperhygiene – wie regelmäßiges Duschen und Kleider wechseln –  ist eine wichtige Voraussetzung für ein ungetrübtes Sozialleben. Diese “normalen” Zwänge sind für die Bewältigung des täglichen Lebens unerlässlich und werden auch entsprechend anerzogen und gefördert.

Der Begriff “zwanghaftes Verhalten” umfasst ein breites Spektrum an Verhaltensweisen, welche im Folgenden beschrieben werden. Wer diese an sich feststellt und sich fragt, ob es sich dabei um ein krankhaftes Geschehen handelt, kann sich an folgenden Merkmalen orientieren:

  1. Der Betroffene leidet unter in immer gleicher Form wiederkehrenden Gedanken, Impulsen und Vorstellungen, die aufdringlichen Charakter haben und Unbehagen oder Angst hervorrufen. Bemühungen, diese Gedanken zu unterdrücken, bleiben erfolglos und steigern oft sogar ihre Stärke. Häufige Themen dieser Gedanken sind Befürchtungen, ob man Gefahren ausreichend vorgebeugt hat, z.B. die Haustür beim Weggehen wirklich zugeschlossen hat, oder ob ausreichende Vorkehrungen gegen bestimmte (z.B. bakterienverursachte) Erkrankungen getroffen wurden, z.B. durch sorgfältiges und wiederholtes Waschen. Eine besonders belastende Variante von zwanghaften Gedanken, sind Ideen, andere Personen absichtlich zu schädigen, diese z.B. zu vergiften, mit einem Messer zu attackieren etc. Zur Beruhigung sei übrigens gleich hinzugefügt, dass gerade von solchen Impulsen Betroffene immer sehr gewissenhafte Persönlichkeiten sind, die so etwas nie ausführen würden.
  2. Die zweite – und häufigste – Möglichkeit sieht so aus, dass der Betroffene auf die eben beschriebenen Ideen folgend eine Art Ritual entwickelt, um so den quälenden Charakter dieser Impulse zu mildern oder kurzfristig zu beseitigen: Dies sind insbesondere als häufigste Form vielfach wiederholte Kontrollhandlungen und/oder Reinigungshandlungen, wobei letztere sowohl den eigenen Körper als auch die äußere Umgebung betreffen können.

In beiden Fällen dieser als „Zwangsstörung“ bezeichneten Erkrankung sind verschiedene Ausprägungen der Stärke solcher Impulse und Handlungen möglich – sie reichen von einer den normalen Alltag nicht allzu sehr beeinträchtigenden Intensität bis hin zum vollkommenen Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu versorgen. Die Ursachen dieses für die Umwelt in der Regel nicht verständlichen und deshalb von den Betroffenen geheim gehaltenen Krankheitsbildes werden wir weiter unten behandeln. Vorher sei aber noch auf eine ganz andere Form von „zwanghaftem Verhalten“ hingewiesen, nämlich die

“Zwanghafte Persönlichkeitsstruktur”

Bei den hiervon Betroffenen liegt ein Muster extremer Ordentlichkeit vor, welches den ganzen Alltag durchdringt. Solche Menschen betreiben ihre Handlungen mit einem starken Perfektionismus, der allerdings teilweise soweit geht, dass der die Fertigstellung von Aufgaben behindert. Leistung geht ihnen über alles und sie nehmen es ganz bewusst in Kauf, dass dabei Vergnügen und zwischenmenschliche Beziehungen zu kurz kommen.
Der Tagesverlauf ist sehr viel mehr als bei anderen Menschen von Regeln, Listen, Organisation, Pläne schmieden etc. charakterisiert; sie tendieren zu überdurchschnittlicher Vorsicht und Zweifel. Bei der Befolgung von konventionellem Verhalten (z.B. Tischmanieren) sind sie überdurchschnittlich pedantisch und detailversessen, zeichnen sich allgemein durch Rigidität und Eigensinn aus. Sie bestehen sehr darauf, dass andere Menschen sich ihren Gewohnheiten anpassen und haben ihrerseits große Hemmungen, anderen Menschen Aufgaben zu delegieren, da sie letztlich befürchten, dass die anderen es nicht so gut erledigen würden wie sie selbst. Manche sind sogar stolz auf ihren Perfektionismus.
Nach außen im Kontakt imponieren sie meist als ernste, förmliche und sehr moralische Menschen, die sich oft schwer entscheiden und sich oft auch nur schwer von Dingen trennen können (Geld, alte Kleider). Im Gegensatz zu Menschen, die unter einer oben beschriebenen Zwangsstörung leiden, empfinden die Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstruktur keinen Leidensdruck, sind im Gegenteil eher der Meinung, dass andere Menschen ihre Verhaltensweisen übernehmen sollten.