Behandlung allgemein

Wie werden Zwangserkrankungen behandelt?

Zwänge sind eine chronische Erkrankung. Zwar können die Zwangssymptome je nach Belastung und Befinden mal mehr und mal weniger stark auftreten – in der Regel verschwinden sie aber nicht einfach wieder. Von daher ist eine professionelle Behandlung unbedingt erforderlich.

Noch vor einiger Zeit galten Zwangserkrankungen als nicht – oder zumindest nur sehr schwer –  behandelbar. In den vergangenen Jahren wurden die Behandlungsmöglichkeiten für Zwangspatienten jedoch stark verbessert. Mittlerweile können die Zwangssymptome der meisten Betroffenen auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt werden. Vollständig geheilt werden jedoch nur die Wenigsten.

Untersuchungen zufolge gehen Zwangserkrankungen mit einer Überaktivität einer bestimmten Gehirnregion (“Nucleus caudatus”) einher. In der Forschung wird vermutet, dass verschiedene therapeutische Ansätze letztendlich alle aus dem gleichen Grund erfolgreich sind: Sie normalisieren die Aktivität dieses Zentrums.

Grundsätzlich können Zwangserkrankungen auf zwei verschiedene Arten behandelt werden – mit Medikamenten oder mit Hilfe einer Psyhotherapie.

 

Medikamente oder Psychotherapie?

Eine Gruppe antidepressiver Medikamente – die so genannten “Serotonin-Wiederaufnahmehemmer” (SSRI) – hat sich bei der Behandlung von Zwangserkrankungen als besonders wirkungsvoll entpuppt. Vereinfacht ausgedrückt sorgen sie dafür, dass der Stoffwechsel im Gehirn wieder ins Gleichgewicht kommt und unterstützen so   körpereigene Funktionen. Wie alle Antidepressiva machen sie weder abhängig noch beeinträchtigen sie das Reaktionsvermögen. Um optimal wirken zu können, müssen die Wiederaufnahmehemmer allerdings über einen längeren Zeitraum hinweg in einer relativ hohen Dosierung eingenommen werden.

Ergänzend oder auch alternativ dazu ist eine psychotherapeutische Behandlung möglich. Die Psychoanalyse hat zwar seit Sigmund Freud viel zum Verständnis der Zwangserkrankungen beigetragen – als Therapieverfahren ist sie jedoch wenig bedeutsam. Einigen Kritikern zufolge können psychoanalytische Techniken wie das “freie Assoziieren” die Zwangssymptomatik des Klienten unter Umständen sogar verstärken.

Demgegenüber erzielte die Verhaltenstherapie in den vergangenen Jahren sehr gute Erfolge bei der Behandlung von Zwangspatienten. Im Rahmen dieser auf allgemeinen Lerngesetzen beruhenden Therapie wird der Betroffene mit den von ihm gefürchteten und entsprechend gemiedenen Reizen konfrontiert (“in vivo Exposition”) und anschließend an der Durchführung seiner Zwangsrituale gehindert (“Reaktionsverhinderung”). Der Zwangserkrankte lernt dadurch, schwierige Situationen ohne Zwangshandlungen oder -gedanken zu bewältigen. Darüber hinaus hilft ihm die Therapie dabei, frustrierte Bedürfnisse aufzuspüren und diese angemessen zu befriedigen.

 

Wann sollte die ganze Familie behandelt werden?

Besteht eine Zwangserkrankung bereits über eine sehr lange Zeit, so müssen im Rahmen der Therapie so genannte “aufrecht erhaltenden Faktoren” berücksichtigt werden. So kann zwanghaftes Putzen einer Hausfrau beispielsweise das Gefühl geben, mehr Kontrolle – und damit auch mehr Macht – über ihren Mann und ihre Kinder zu haben, da sich alle ihren Sauberkeitsvorstellungen unterwerfen müssen. Ein Kind kann die ganze Aufmerksamkeit seiner zerstrittenen Eltern auf seine Zwangssymptome lenken und so eine drohende Trennung verhindern. In diesen Fällen sollte das familiäre und soziale Umfeld des Patienten mit in die Therapie einbezogen werden. Hierzu ist allerdings zu sagen, dass die Familien aufgrund der starken Belastung durch die Zwangserkrankung häufig erst einmal Ruhe und Abstand brauchen, bevor sie für solche Maßnahmen offen sind!