S3 Leitlinie Diagnostik und Therapie der DGPPN

Ein Überblick über die S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Zwangsstörung

Neben einer immer größer werdenden Zahl an evidenzbasierten Leitlinien spielen derzeit die Practice Guidelines for the Treatment of Patients with Obsessive-Compulsive Disorder, die Leitlinien des „National Institute for Health and Clinical Excellence – NICE“ (2006) und die deutsche S3-Leitlinie (2013) die größte Rolle. Effektivitätsnachweise liegen für die kognitive Verhaltenstherapie und für die Behandlung durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer vor. Für die tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Verfahren liegen derzeit keine Effektivitätsnachweise vor.

S3-Leitlinien Zwangsstörungen

Nach der aktuellen „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) stellt die Zwangsstörung mit schätzungsweise 2,3 Millionen Betroffenen die vierthäufigste psychische Erkrankung dar (Jacobi et al, 2014). Bei einer insgesamt niedrigen Behandlungsrate vergehen oft viele Jahre, bis betroffene Patienten professionelle Hilfe aufsuchen. Leider wird häufig auch dann die Diagnose einer Zwangsstörung nicht gestellt Und obwohl gut wirksame Behandlungsmöglichkeiten existieren, werden diese zu wenig eingesetzt. Die erste deutschsprachige evidenz- und konsensusbasierte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Zwangsstörungen, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) erstellt wurde, verfolgt das Ziel, die Versorgung der betroffenen Patienten zu verbessern. 25 Fachgesellschaften beteiligten sich, darunter die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen (DGZ) als Selbsthilfevereinigung.

Kurzzusammenfassung

Aufgrund einer überwältigenden evidenzbasierten Datenmenge stellt die störungsspezifische kognitive Verhaltenstherapie den Goldstandard der Behandlung für alle Zwangspatienten dar. In abgeschwächter Form liegt allerdings auch ein Wirkungsnachweis für die spezifischen psychopharmakologischen Strategien vor.

Es folgt die komprimierte Ausführung einiger wichtiger Empfehlungen
(Empfehlungsgrade in Klammern:  A=„soll“-, B= „sollte“-, 0= „kann“-Empfehlung, KKP=Klinischer Konsenspunkt):

– Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt das am besten untersuchte Psychotherapieverfahren der Zwangsstörung dar und zeigte sehr hohe Effektstärken. Die störungsspezifische KVT, einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement, ist daher die Psychotherapie der ersten Wahl (Empfehlungsgrad A).

– Die Psychopharmakotherapie mit SSRI und Clomipramin ist in ihrer Wirksamkeit ebenfalls gut belegt (A), sollte jedoch als Monotherapie nur zum Einsatz kommen, wenn die KVT abgelehnt wird, nicht verfügbar ist oder wegen der Schwere der Symptomatik nicht durchgeführt werden kann (KKP).

– Falls eine medikamentöse Therapie indiziert ist, sollen SSRI (in Deutschland zugelassen: Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) angeboten werden (A). Diese Medikamente sollten bis zu den maximal zugelassenen therapeutischen Dosierungen eingesetzt werden, da dann eine stärkere Wirksamkeit zu erwarten ist (B).

– Clomipramin ist vergleichbar wirksam mit SSRI soll jedoch aufgrund der Nebenwirkungen zur Behandlung von Patienten mit Zwangsstörungen nicht als erste Wahl zum Einsatz kommen (A). Andere trizyklische Antidepressiva sind in der Behandlung von Zwangsstörungen nicht wirksam (A), Venlafaxin sollte zur Behandlung von Patienten mit Zwangsstörungen nicht als Medikament erster Wahl eingesetzt werden (B). Buspiron ist nicht wirksam, ebenso Clonazepam und andere Benzodiazepine (A).

– Die psychopharmakologische Therapie mit SSRI/Clomipramin soll mit einer KVT kombiniert werden, weil dadurch zusätzliche und nachhaltige Therapieeffekte zu erzielen sind (A).

– Andere medizinische Verfahren wie die transkranielle Magnetstimulation (A), Elektrokonvulsionstherapie (B), ablative neurochirurgische Verfahren sollten bei therapierefraktären Zwangsstörungen nicht durchgeführt werden(B). Die beidseitige tiefe Hirnstimulation kann unter kritischer Nutzen-/Risikoabwägung bei schwerst betroffenen Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung erwogen werden (0).

– Bei ausbleibendem oder unzureichendem Ansprechen (insbesondere bei Vorliegen von komorbiden Tic-Störungen) auf eine leitliniengerechte Therapie mit SSRI/Clomipramin sollte als Augmentation eine zusätzliche Therapie mit den Antipsychotika Risperidon, Haloperidol oder mit Einschränkung Quetiapin angeboten werden. Bei Nicht-Ansprechen auf die Augmentation sollten die Antipsychotika spätestens nach 6 Wochen abgesetzt werden (B).

Die vollständigen Texte der Leitlinie finden Sie hier=>

Die S3 Leitlinie Zwangsstörung wurde im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) erstellt. Autoren: Projektgruppe Lübeck: Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Kordon, Dipl.-Psych. Winfried Lotz-Rambaldi, Dr. rer. nat. Cathleen Muche-Borowski, Prof. Dr. med. Fritz Hohagen; Steuergruppe: Dr. Karsten Böhm (Freiburg, Bad Säckingen, Friedenweiler); Prof. Dr. Hans Jörgen Grabe (Greifswald); Dipl.-Psych. Walter Hauke (Windach); Dipl.-Psych. Ina Jahn (Leipzig); Dr. Deborah Janowitz (Greifswald); Prof. Dr. Norbert Kathmann (Berlin); Dipl.-Psych. Thomas Lang (Bremen); Dr. Bernhard Osen (Bad Bramstedt); Andreas Pfeiffer (Karlsbad); Dr. Ulrich Stattrop (Prien am Chiemsee); Prof. Dr. Katarina Stengler (Leipzig); Prof. Dr. Ulrich Voderholzer (Prien am Chiemsee); Prof. Dr. Michael Zaudig (München); Dr. Bartosz Zurowski (Lübeck)

Autor dieser Zusammenfassung: Prof. Dr. Michael Zaudig