Der Zwangs-Bericht

“Die Zwangsgedanken” mit aggressiven Inhalt!

Kann man Zwänge wirklich besiegen?

Zwänge werden durch das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren verursacht. Darunter sind Genetik, Biologie und die Art und Weise wie die Person gelernt hat, auf ihre Umwelt zu reagieren. (CDK CHRISTOPH-DORNIER-KLINIK FÜR PSYCHOTHERAPIE, 2006)

“Der Zwangskranke wird verfolgt von Vorstellungen, die ihm nicht nur fremd, sondern unsinnig erscheinen, und denen er doch folgen muss, als ob sie wahr seien. Tut er es nicht, so befällt ihn grenzenlose Angst.”

Man hört so oft über “Zwänge” aber man liest eigentlich relativ wenig, wenn überhaupt, über Zwangsgedanken mit aggressiven, sexuellen oder religiösen Inhalt, weil das ist so was, was man gerne verschweigen möchte. Diejenigen die darunter leiden, wissen es teilweise gar nicht, dass sie darunter leiden bez. sie wissen nicht, dass es einen Name gibt für Ihren Denkweise, und die, die es wissen, wollen nicht darüber reden, weil es den absolut peinlich ist. Man schämt sich seiner Gedanken. Man ist sehr ängstlich, verzweifelt, hat große Schuldgefühle und man zweifelt sehr an sich wegen der Gedanke die man hat. Wie sollte man an sich glauben, vertrauen, lieben, wenn man mit solchen Gedanke tagtäglich beschäftigt ist?

Was waren es für Zwänge?

Ich selber litt Jahrelang unter mehrere Zwänge, Phobien und Ängste. Die Zwänge waren eine Mischung aus Handlungszwänge und Zwangsgedanken, wobei die Zwangsgedanken bei weitem überwogen. Wie so viele andere Leute habe auch ich Jahrelang gebraucht um darüber zu reden. Ich konnte keinen anvertrauen, weil ich ganz einfach angst hatte was man mit mir machen würde. Ich war fest davon überzeugt, dass man mich ins Gefängnis steckt, meiner Kindern mir abnahm oder ich mein Mann auch noch verlieren würde.

Es war ganz einfach schrecklich. Immer und immer wieder im Kopf zu kontrollieren, dass ich doch keinem was tun werde. Immer wieder alles zu kontrollieren was ich sonst immer kontrollieren musste – je nach dem welchen Zwang gerade vorrang hatte. Es gab so viele – bis nach zwanzig zählen – immer und immer wieder nur damit ich kontrollieren konnte, ob ich richtig atmen konnte. Wenn ich bis zwanzig kam musste ich es noch mal machen nur um zu kontrollieren, ob es immer so gut gehen würde und wenn es nicht ging habe ich Panik bekommen und habe auch wieder angefangen. Gewinnen konnte ich nicht.

Dies wechselte sich immer ab mit dem Toilettenzwang. Manchmal machte ich mir Stundenlang Gedanken, ob ich wirklich alles Ordentlich hinterlassen habe, wenn ich auf Toilette ginge. Das war wirklich schlimm, weil man jeder seines tun noch mal überdenken musste, nur um alles zu verfolgen.

Dann kam zwischendurch immer der zwang, ob ich vielleicht ein Thrombose haben könnte oder Aids oder ich könnte vielleicht in Flammen aufgehen.

Wenn ich nicht darüber gezwängelt habe, dann habe ich über der Weltfrieden gezwängelt und, ob wir überhaupt der nächsten Tag noch da sind. Das machen viele, aber wenn man Zwanghaft ist, dann sind die Gedanken viel, viel stärker und man kontrolliert alles dabei. Man muss jedes Nachricht im Kopf noch mal überdenken und versuchen es wieder zu flicken woran man sich nicht mehr erinnern konnte. Man kontrolliert was der Mann im Fernsehen gesagt hatte – seiner Wörtern werden immer wieder in den Kopf genommen und wiederholt, man kontrolliert einfach alles was zu kontrollieren ging.

Sätze hat man wiederholt versucht zu rekonstruieren von Freunden. Man bekam die Sätze aber nie wirklich hin und drum zwängelte man darüber was man gesagt hat. War alles in Ordnung? Hat man etwas Falsches gesagt und man wüsste gar mehr was das war? War man auffällig gewesen? Hat man der andere verletzt in dem was man gesagt oder geschrieben hat. Es nahm alles kein Ende.

Eine Zeitlang konnte ich kein Rot sehen, weil wenn ich rot sah, ich dann an Blut und Mord und Todschlag dachte und dann kam mir sofort der Messer in dem Kopf. Also habe ich eine Zeitlang es vermieden der Farbe Rot zu benutzen oder anzuschauen. Jetzt trage ich sehr gerne Rote Farben.

Dann natürlich die Ängste zu lesen, dass was Furchtbares passiert war und ich genau das auch tun könnte. Diese Angst oder Zwang war wirklich das schlimmste. Es breitete sich in so viele Formen aus. Also zwischen diese Gedankenzwänge gab es immer wieder Handlungszwänge, aber die Gedankenzwänge haben bei weitem überwogen.
Die Angst meine eigener Kindern oder Familie am Morgen nicht mehr zu sehen, weil ich sie vielleicht in der Nacht hätte umbringen können, ohne es zu wissen.
Der Angst mein Baby in den Arm zu nehmen aus Angst ich könne sie töten.
Der Angst meine Kindern ins Bett zu bringen – ich könnte sie vielleicht töten. Ich musste sie dann immer wieder anschauen, um zu prüfen, ob ich sie wirklich nichts angetan hatte. Das Problem dabei ist aber das man nicht glaubt was man sieht.
Alles was man als schrecklich im fernsehen gehört hatte, hatte bei mir als Zwang ausgeartet. Man musste ständig kontrollieren, dass man eben nicht so wird wie die Verbrecher im Fernsehen.
Messern waren für mich ganz schrecklich. Am schlimmsten war das Angelmesser von mein Mann. Auf Toilette zu gehen Nachts war schrecklich, weil ich an die Messern vorbei laufen mussten und ich musste meine Händen immer wieder kontrollieren, wenn ich aus der Küche kam, dass ich wirklich nichts in der Hand hatte wie z.B. ein Messer. Immer diese “es könnte sein….”. Nur man musste mehrfach seine Händen anschauen, nur um sicher zu gehen und selbst dann war man eben nicht sicher – wie bei alles anderen.
Alles was als Mordinstrument benutzt werden könnte, war eben unheimlich beängstigend für mich.
Für mich gibt oder gab es nicht schlimmeres als das glauben jemanden der dir sehr nahsteht, oder deine eigener Kindern etwas anzutun. Die Angst zu haben, dass man dich einfach nicht alleine mit den Kindern lassen darf, weil du den etwas antun könntest. Man weiß man würde es nie tun, aber dennoch kommt man nicht aus diesen ekelerregenden Zwängen wieder heraus. Es ist grausam und ein ganz einfach schreckliche Krankheit zu haben.

Man will als Zwanghafter einfach nicht auffallen irgendwie und man möchte alles kontrollieren was ein das Leben sicherer machen könnte. Man will keinen weh tun und bestimmte dingen müssen ihre Ordnung haben. Dabei ist der eigentliche Ordnung völlig durcheinander, wenn  man das so verstehen kann.

Die Therapie
Irgendwann begab ich mich wieder in der Therapie, wo ich vor vielen Jahren vorher gewesen war, wegen Ängste (aber damals zum teil auch wegen „Aggressive Zwangsgedanken), um zu versuchen das Problem anzusprechen.

Auch da ging es zuerst nicht. Da versuchte ich erst mal meine Vergangenheit aufzuarbeiten.
Erst etwas später in der Therapie hinein habe ich angefangen mein Therapeut nach und nach anzuvertrauen. Ich habe es plötzlich gekonnt, weil ich selber meine “Krankheit” – “Zwangsgedanken” nannte. Ich kannte diese Krankheit nicht, aber so empfand ich meine Gedanken, und eines Tages, als ich völlig verzweifelt war, habe ich dieses Wort ganz einfach  in Google eingegeben und siehe da, plötzlich lass ich über eine Krankheit der mir überhaupt nicht fremd war. Alles was ich lass war genau wie ich. Von dann an, fing ich an zu forschen. Ich wollte mehr wissen. Ich wollte mehr über diese Krankheit wissen und auch wissen wie die anderen Menschen waren, die dieselbe Krankheit hatten. Es fiel auf, dass wir alle ähnlichen Typen sind. Wir sorgen uns um anderen, wir gehen Auseinandersetzungen aus dem Weg und wir sind sehr Hilfsbereit, aber wir alle glauben Monstern zu sein, die am besten erschossen werden müssen.
Dass die behandelnden Ärzte gar nicht begreifen können worum das Problematik wirklich geht ist doch klar, denn man redet nicht darüber! Man kann es ganz einfach nicht.
Ich habe angefangen einiges an Bücher zu lesen – aus England und Amerika, weil sie da offener waren und mehr darüber publizierten. Ihre Erfahrungen schienen weiter zu sein als in Deutschland.
Ich habe in Bristol (England) eine Tagung besucht, wo die “Zwangserkrankung” mir näher gebracht worden ist. In einem Saal saßen ganz viele Leute und sie sollten alle das gleiche haben wie ich? Ich konnte es nicht glauben, denn die Menschen sahen gar nicht böse aus. Sie sahen auch nicht wie Monstern aus und sie waren alle extrem nett, wenn man sich mit ihm unterhielt – was ich weniger machte, weil ich das damals nicht gern tat. Ich erinnere mich  daran, dass der Arzt gesagt hatte, dass wir eigentlich sehr mutige Menschen waren, weil wir “Zwangsgedankekranken” es schafften zwei Leben auf einmal zu leben. Die Leute da haben die Ärzten Sachen gefragt – ich hätte selber die Fragen stellen können. Ich konnte die Krankheit endlich bei anderen auch sehen. Es kam eine gewisse Sicherheit in mir hoch.
Die Vorträge die ich da gehört habe, haben mich sehr viel weitergeholfen und ich wüsste, dass auch ich jetzt anfangen könnte “offener” zu werden über meiner Erkrankung. Ich wusste was ich hatte und konnte damit umgehen. Wenn man ein Gips trägt, weil man sich den Arm gebrochen hat, kann man auch mit den Schmerz besser umgehen. So war es bei mir ja auch. Ich bin sehr glücklich nach Deutschland zuruckgeflogen nach diesen Wochenende.
Als ich zurück kam aus England wollte ich an mich arbeiten. Ich wollte aus dieser Krankheit heraus. Ich wollte für meine Familie wieder da sein, denn zuletzt konnte ich das gar nicht mehr, denn die Zwänge waren ganz einfach unerträglich geworden. Meine Therapie machte ich in Berlin, obwohl es ein 4 stundige Fahrt für mich bedeutet hatte. Es war mir aber Wert, weil ich da mein Therapeut von früher kannte und vertraute. Als die Entscheidung getroffen worden ist, fing ich an offener zu werden. Ich habe in Detail alles aufgeschrieben was ich fühlte und was los war damit er die Krankheit und auch mich besser verstehen konnte. Ich fing an Gedichte zu schreiben und Englische Berichte zu schicken von einem renommierten Psychologen in Amerika – Fred Penzel Ph.D.   Ich wollte, dass mein Therapeut mich verstand. Vielleicht war das aber auch nur eine Form meines Zwanges, dass ich meinte alles 100 % verständlich zu machen, damit man mir helfen konnte – verstehen konnte. Also alles was ich als wichtig empfand schickte ich ihm auch zu. Ich wollte mehr wissen. Ich wollte diese Krankheit verstehen und überwinden. Vor allem wollte ich aber verstanden werden.

In diese Zeit finge ich auch an Fluctin zu nehmen. Es hat langer gedauert bis es wirklich geholfen hatte aber mit der Zeit würde ich doch lockerer und konnte mit Hilfe die Medikamente doch einiges machen.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde es wäre einfach gewesen den Weg, weil es gar nicht so war. Es war ein lange, stolprigen Weg, der sowie für mich und sicherlich auch erst recht für meinen Therapeuten sehr anstrengend gewesen war. Jeden Brief den ich schrieb über die Zwänge hatte mich Kraft gekostet, denn nach jeden Brief zweifelte ich wie verrückt, lass sie immer wieder, veränderte alles, hatte tierisch angst, dass ich mich mehr als blamiere, hatte angst, dass er mich nun gar nicht mehr mögen könnte. Es war eine schreckliche Zeit. Es war ein bisschen ähnlich wie ein Schritt vorwärts laufen und Hunderten wieder zurück. Die Rückfälle waren sehr häufig, aber sie würden mit der Zeit immer weniger. Die Stärke die Rückfälle würden auch geringer, obwohl, für mich war jedes Mal ein Rückfall schrecklich.
Ich wollte gesund werden und ich brauchte Hilfe dazu. Ich habe eben sehr viel glück gehabt gerade mich richtig entschieden zu haben und ein Arzt zu haben der mir nicht nur zuhörte, sondern sich auch Zeit nahm dazu. Wir haben als Team gearbeitet in den “Kampf”, um meine Erkrankung und wir haben nach zwei Jahren den Kampf doch gewonnen. Ich hätte es mir nie erträumen lassen, dass wir es doch noch schaffen würden.

Was ist passiert?
Während ich mich schwer informiert habe wegen der Erkrankung, hatte mein Arzt mir mein Selbstbewusstsein aufgebaut, mich immer wieder beruhigt. Ich hatte eben kein Selbstbewusstsein mehr gehabt, weil ich weder an mich glaubte noch an mein Arbeit.

Obwohl ich in das was ich tat immer sehr erfolgreich gewesen bin – ich habe meinen Kindern früher Sachen genäht, die mir kurz nach der Fertigstellung gleich abgekauft worden sind, nachdem meiner Kindern daraus wuchs. Ich habe ein riesen Spaß daran gehabt Stoffe zu suchen um irgendein Teil zu nähen. Ich machte alles – Jacken, Röcke, Hemden, Hosen, Mänteln, Kleider usw…
Dann habe ich eine Asthma Gruppe geführt – von hinten, weil reden vor Leuten konnte ich nicht – dafür hatte ich anderen, die mir halfen.
Dann habe ich ein sehr erfolgreiche Kinderlaufgruppe geführt und in Norden Deutschland das Kinderwertung eingeführt damit Kindern im Wettkampf nicht so benachteilig würden – auch mit Hilfe eine Freundin die der Vorredner war!
Dann habe ich eine sehr erfolgreiche Webseite geführt und tue es immer noch aber…….

Trotz diese ganze Erfolgen habe ich kein Vertrauen in mir selber gehabt, habe mich selber gehasst, habe kein Erfolg anerkannt, habe über das Leben gezweifelt und warum? Weil ich unter “Zwangsgedanken” litt und es nicht wahr haben wollte, dass ich nicht ein schreckliche Person war. Ich war ganz und gar überzeugt, dass ich schlecht wäre und ich keine – aber auch keine “Liebe” bekommen durfte, weil ich solche schreckliche Gedanken hatte. Ich konnte weder meine Erfolg sehen noch  konnte ich mich darauf aufbauen.

Als ich dann das Angebot bekam meine Arbeit richtig zu veröffentlichen, habe ich mich gefreut und zugleich wieder tierische Sorgen bekommen. Ich brach in Panik aus. Was sollte passieren, wenn ich meine Arbeit auf der Webseite veröffentliche? Man könnte mich belangen. Ich könnte wegen etwas belangt werden was ich gar nicht getan hätte. Ich hatte angst man würde mich hier und da verklagen, obwohl meine Arbeit wirklich meine Arbeit war. Ich konnte ganz einfach nicht glauben, dass das was ich mache doch ein Erfolg werden könnte. Ich habe Bilder gezeichnet um meine Angst zu zeigen aber mein Therapeut hat einfach nicht hingehört 😉 Er hatte für alle meine Ängste einer Antwort gehabt. Ich konnte ihm nie überzeugen, dass ich keine Geschäftsfrau werden könnte. Er war überzeugt von mir und mein Mann ja auch.
Ich weigerte mich noch strickt mein Arbeit gegen Geld einzutauschen. Ich wollte für das was ich bot kein Geld haben. Für mich war es kein Geld wert.
Ich konnte ganz einfach nicht stolz auf meiner Arbeit sein. Ich wollte anderen helfen, wollte oder konnte es aber nicht als “Wertvoll” ansehen wie es anderen angesehen hat. Mein Selbstwertgefühl war schon so sehr in dem Keller gerückt, dass nichts es wieder hervorheben konnte.
Die natürliche, geduldige und liebevolle Art meines Therapeuten hat aber letzenendes dazu beigetragen, dass ich doch irgendwann der Wert meiner Arbeit erkannte. Durch das aufbauen meines Selbstvertauen, habe ich erkannt, dass ich doch etwas Wert bin. Ich habe erkannt, dass ich zu etwas in der Lage bin. Ich habe erkannt, dass ich meine Arbeit nicht völlig umsonst weggeben kann, weil ich doch auch etwas wert bin.
Ich habe erkannt, dass ich ein Mensch bin der etwas kann, der etwas sehr gutes machen kann und der etwas Wertvolles macht. Plötzlich habe ich kein schlechtes gewissen gehabt, wenn ich so was dachte. Plötzlich konnte ich auf mich selber stolz sein und plötzlich konnte ich an das glauben was ich bin – etwas Wertvolles.
Ich konnte plötzlich das Liebe meine Kinder fühlen, das Liebe meines Mannes fühlen und das Liebe von ganz wichtigen Menschen fühlen. Plötzlich habe ich etwas gesehen was immer da gewesen ist, aber ich nie sehen konnte, weil meine Zwänge mich blind für die Umwelt gemacht haben.
Desto mehr Selbstwertrauen ich selber hatte, desto mehr verschwanden meine Zwänge. Mittlerweile könnte ich sogar auch vor anderen reden was vorher nicht der Fall gewesen ist. Ich kann mich mit anderen auseinandersetzen was vorher nicht der Fall war. Ich bin sehr offen geworden und das Lächeln den ich immer schon gehabt habe und das fröhliche an mich ist sogar “echt” geworden. Ich habe ein ganz neues Leben angefangen und man kann es gar nicht vorstellen wie das ist. Sicherlich nehme ich immer noch meine Tabletten, aber die sind nur die “Schwimmreifen”. Alles andere muss man selber machen.
Um aus die Zwänge heraus zu kommen, muss man bereit sein, sehr viel für sich selber zu tun. Man muss wissen, dass es nicht von heute auf Morgen geht und man muss sein Selbstbewusstsein aufbauen. Man muss lernen an sich selber zu glauben.
Es geht zwar alles nicht von heute auf Morgen, aber wenn man weiß man ist auf den richtigen Weg, dann ist alles sehr viel einfacher.
Der Weg aus den Zwängen ist hart. Man macht verschiedene Phasen durch – unter anderen der Phase, dass man vielleicht sich doch nicht von den Zwängen verabschieden möchte. Ja, diese Phase kommt ja auch. Man gibt etwas auf, der man gewohnt ist. Man ist gewohnt mit seinen Zwängen zu arbeiten und man ist gewohnt, dass sie da sind auch wenn man sie hasst. Man muss sich richtig davon verabschieden. Ein Lebensabschnitt geht zu Ende und ein neue fängt an. Man ist tatsächlich traurig über dieser verlorenen Zeit die man gehabt hatte. Dennoch war es nicht wirklich verloren, weil man mit den Zwängen auch vieles gemacht hat. Zwänge zu haben hat auch etwas Positives – Man erlebt der Unwelt anders als anderen Menschen, man ist sehr Kreativ und man hat mehr Verständnis für anderen.
Diese Seite der Zwänge kann man weiterhin benutzen, denn nicht alles war schlecht, oder?
Nur musste man aber anders reagieren. Man muss anders in der Welt hinausschauen, Man musste stark sein und man musste vor allem an sich selber glauben.
Ich nehme 40mg Fluctin am Tag, aber wenn ich Zuckerkrank wäre, dann würde ich auch etwas einnehmen müssen. Die Medikamente haben mir geholfen ein anderes Leben zu fuhren, aber die Medikamente alleine sind es nicht der mir ein normales leben fuhren lassen. Man muss als erste ein gute Therapeut haben und als zweite es wirklich wollen gesund zu werden. Es muss vieles von einem selber kommen und wenn das nicht so ist, dann wird nichts aus der Genesung.

Was war anders an meiner Therapie als an anderen?
Ein Mensch den ich vertraute, hatte mich immer wieder versichert, dass ich niemals etwas anstellen würde. Wenn ich zweifelte, ob ich vielleicht jemanden etwas zuleide getan haben könnten, hatte er mir immer geholfen. Er hatte mir eben nicht unter druck gesetzt, sondern mir beigestanden und mir Mut gemacht, meine Handlungen doch zu vertrauen. Das war das was mich weiter geholfen hat. Jemanden hatte an mich geglaubt.

Außerdem, als mein Mann raus bekam was wirklich los war mit mir, hatte er voll zu mir gestanden und hatte sich nicht abgewendet. Er ließ der Kettensäge wo es war – auch wenn ich es wegräumte und seine Angelmesser versteckte er auch nicht vor mir. Vor ihm war es ganz klar, dass ich niemals etwas tun würde und es nur meine zwänge waren. Was ich aber am schönsten finde, ist das mein Mann tierisch stolz auf mich ist.
Unsere Liebe ist nur große geworden während meines Kampfes.

Heute geht es mir sehr gut und ich möchte unheimlich gerne meine wissen anderen weitergeben. Ich weiß wie es ist im Dunkeln zu laufen und an sich selber völlig zu verzweifeln.
Ich hoffe dieser gute Zustand bleibt immer so und ich komme nie wieder in diese schrecklichen schwarzen Ecken wo ich mich immer verkriechen musste um meine Zwänge auszuleben.

Where am I?

Caught in the middle of nowhere
Caught in the middle of fire
Caught in the middle of power
Caught in the middle of pain.

The obsession has taken over
There is no way out.
The body is burning
The head is splitting
The mind has gone
The devil has taken over.

What if…..
Yes, but what if …
I know, but what if ….
What if …, what if …, what if ….

It never stops
It fights along
It pushes you aside
It takes you over
It makes you look a fool
It makes you feel stupid
It makes fun of you
It ruins friendships.

What must people think of you –
Of your weird behaviour?

Pull your hair out
Crash you head against the desk
Puke it all out
Scream at it…..
Nothing works, because it’s taken over again.

By Jeannie

Erfahrung

Ich frage mich in letzter Zeit immer öfter, ob Gott ein Gott des Zwangs ist oder ein Gott der Liebe und Freiheit. Immer wieder liest man bzw. hört man davon, dass viele Betroffene einer Zwangserkrankung gerade auch auf diesem Gebiet echte Not haben. Ich habe diese Erfahrung selber gemacht.

Da gab es zum einen Gedanken, die sich mir aufdrängten, wie z.B. gotteslästerliche Gedanken. Aber auch das allgemeine Problem, nicht sicher zu wissen, ob ich mich im Willen Gottes befinde oder nicht. So entstand immer wieder Angst, nicht richtig zu sein, nicht richtig zu handeln usw. Um diese Gedanken zu neutralisieren musste ich unentwegt grübeln, denn ich dachte dass ich in die Hölle komme, wenn ich nicht weiter darüber grübele. Sobald ich aufhörte zu grübeln kam die Angst wieder hoch.

Beim Blick in die Kirchengeschichte sehen wir, dass wir nicht alleine mit dieser Thematik sind, denn auch Luther kannte dieses Problem sehr gut. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass Gott nicht ein Gott der Leistung bzw. ein Gott des Zwangs, sondern ein Gott der Liebe ist.

Schauen wir einmal darauf,  was Religion eigentlich ist. In Wikipedia habe ich einmal nachgeschaut, was dieses Wort bedeutet und war sehr erstaunt, dass es keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition dieses Wortes gibt. Religionen gibt es viele auf dieser Erde. Aber es gibt nur eine Religion, wo der Gott etwas für die Menschen getan hat. Christentum bedeutet, Gott schickte seinen Sohn auf diese Erde, damit ER unsere Schuld auf sich nimmt und am Kreuz dafür stirbt und wieder aufersteht. Warum hat Gott das für die Menschen getan? Gott weiß, dass es kein Mensch auf dieser Erde jemals schaffen kann, ein Leben ohne Schuld zu führen. Da Gott die Welt, damit ist jeder einzelne Mensch gemeint, aber so sehr geliebt hat (Joh. 3/16) hat er seinen eigenen Sohn geopfert….

Jede andere Religion lehrt, dass man etwas tun muss um in den Himmel zu kommen. In den allermeisten Religionen gibt es Rituale, die man befolgen muss um z.B. als rein zu gelten. Nicht aber im Christentum, zumindest nicht in jenem Christentum der ersten Kirche. Gottes Weg, unsere Schuld zu vergeben, ist ein ganz anderer gewesen. Ein Weg der für uns nicht nur begehbar, sondern auch lebenswert ist. Nicht wir Menschen müssen etwas tun, sondern Gott hat etwas getan!

Jesus sagte, dass er gekommen ist, damit wir das Leben zu voller Genüge haben sollen. Kurz vorher erzählte er seinen Jüngern ein Gleichnis. Als er das Gleichnis erklärt spricht Jesus auch davon, dass der Dieb nur gekommen ist, um zu stehlen und zu rauben.

Ich habe in diesem Zusammenhang oft gedacht, dass der Zwang im Grunde genauso kommt. Er kommt wie ein Dieb. Er belügt uns zuerst indem er uns negative Gedanken aufdrängt und so tut, als ob es unsere eigenen Gedanken seien und/oder er diktiert uns auf, was wir zu tun oder zu lassen haben. Dinge, die wir gar nicht schaffen können, die kein einziger Mensch jemals schaffen kann. Laut Bibel gibt es keinen einzigen Menschen auf dieser Erde, der ohne Schuld/Sünde ist. Da Jesus aber gekommen ist, damit wir ein Leben voller Genüge führen können, passt das absolut nicht in das Bild. Der Zwang beraubt uns unserer Lebensfreude, so dass wir eigentlich gar kein Leben mehr haben, auf eine gemeine hinterlistige Art. Ein Leben voller Genüge bedeutet meines Erachtens auch ein freies Leben zu leben. Dieses ist der Wunsch Gottes. Denn Jesus ist gekommen um uns ein freudiges Leben zu schenken!

Je mehr ich mich mit damit auseinandersetze, desto mehr fange ich an, diesen Gott zu lieben und ich erlebe ihn nicht mehr als strafenden, sondern als liebenden Gott Ein Gott der ohne Bedienung liebt, ein Gott, vor dem ich keine Angst haben brauche und mich sogar bei ihm sicher fühlen darf.

Ich wünsche uns allen diese Freiheit.

Gedanken-Welten

Es ist das Jahr 2500. Nach der kompletten Auslöschung allen Lebens auf dem Mutterplaneten Erde ist es einer Anzahl Überlebender gelungen, sich eine neue Welt zu erschaffen.

Wie jeden Morgen erwache ich pünktlich um sieben Uhr durch die ersten Strahlen des künstlichen Lichts. Ein leises Glockenspiel erfüllt den Raum, voll im Klang, als säße ich in einem Konzertsaal. Zur Erzeugung dieser wunderbaren Atmosphäre genügt ein Knopfdruck, ich spreche meinen jeweiligen Wunsch in das Mikrofon meines persönlichen Computers, der völlig auf meine Bedürfnisse abgestimmt ist und immer weiß, was ich brauche. Er sucht für mich dann das passende Stück heraus und spielt es mir exakt um sieben Uhr vor. Boxen sind überall, natürlich unsichtbar, in den Räumen installiert, so dass ich stets das gleiche volle und perfekte Klangerlebnis habe.

Wie jeden Morgen freue ich mich auf den beginnenden Tag. Heute gehe ich die paar Meter in meinen Badepool zu Fuß, mir ist danach, einige Schritte zurück zu legen. Normalerweise betätige ich das Laufband und lasse mich transportieren, aber da Bewegung für eine gesunde Lebensweise notwendig ist, bin ich heute einmal vernünftig. Mein persönlicher Freund kritisiert bereits seit Tagen meine geringe Motivation zum Ausüben der vorgeschriebenen Konditions- und Körperertüchtigungsübungen. Ich weiß schon jetzt, was passieren wird, wenn ich in den nächsten Tagen weiterhin nicht trainiere. Der Computer beginnt damit, meinen täglichen Bedarf an Harmoniepillen zu reduzieren, solange, bis ich seinen Anweisungen wieder bedingungslos folge. Die Harmoniepillen versetzen uns alle, die wir hier leben, tagtäglich in eine ausgeglichene und entspannte Stimmung. Denn obwohl ich mich in meiner Welt wohl fühle, falle ich des öfteren, manchmal nur für wenige Augenblicke, in eine Stimmung, die ich als ein Sehnen deute, ein Verlangen oder ein Suchen nach – … ? Ja, wonach eigentlich? Ich weiß es nicht. Ob es den Anderen ähnlich ergeht? Da wir außer bei den periodischen Treffen nur selten miteinander sprechen, kenne ich die Anderen nicht wirklich und weiß daher nichts über ihre Empfindungen zu berichten. Eines ist aber klar: In unserer neuen Welt können wir uns keine Stimmungsschwankungen, die uns von den wesentlichen Dingen abhalten, leisten. Gefordert sind ein klarer und wacher Verstand, volle Konzentration und innere Motivation. Die Harmoniepillen regulieren die Stoffwechselprozesse des Gehirns und versetzen uns in ständige Ausgeglichenheit. Wie uns die Vergangenheit nur allzu deutlich gelehrt hat, führen negative Emotionen schnell zu Unstimmigkeiten, die in  Krieg und Vernichtung münden können. Also wozu diese Gefühle weiter dulden? Sie sind für eine leichte, angenehme und effektive Lebensweise nur hinderlich.

Unser Verhalten ist vernünftig und maßvoll, da wir wirklich alles, was wir zu einem einfachen Leben benötigen, erst mühsam und mit großem Aufwand herstellen müssen. Unsere neue Heimat heißt uns nicht willkommen, wir haben uns ihr aufgedrängt.

Wir kennen keinen Überfluss und schwelgen nicht im Luxus, so wie es  auf alten Bildern und in Filmen dargestellt wird. Bereits bei der Nahrungsaufnahme müssen wir Maß halten. So nehme ich Sättigungs-Pillen ein, die mein Verlangen nach Nahrung regulieren und auch reduzieren. Die meisten künstlich hergestellten Nahrungsmittel schmecken ähnlich, weil sie alle die gleichen Vitamine und Aufbaustoffe, die der Körper benötigt, enthalten. Unterschiede bestehen in Form, Inhalt und Farbe. Bananen sind bei uns teilweise kreisförmig, es gibt roten und grünen Käse mit farbigen Löchern, Apfelsinen sind von außen grün und glatt, von innen gelb und faserig, Mineralmilch ist ein wunderbarer Durstlöscher. Eine Weile gab es das Schnitzel mit Originalgeruch. Da ich keine Schweine kenne, tue ich ihnen jetzt vielleicht Unrecht, aber ihr eindringlicher Geruch machte mir ihre Gattung nicht sympathisch. Dieser sehr ursprüngliche Charakter des Schnitzels wurde schnell wieder aufgegeben, stagnierte doch bald die Nachfrage.

Aber immerhin verband ich zum ersten Mal eine reale Sinneswahrnehmung mit einem Gefühl, was ich sonst nur in meinen Filmen erlebe.

Unsere Gesellschaft besteht aus fünf großen Einzelgruppen, die in verschiedenen Sektionen auf unterschiedlichen Planeten leben. Wir alle arbeiten zur Erhaltung unserer künstlichen Lebensform sehr eng zusammen, treffen aber durch die räumlichen Entfernungen selten aufeinander. Gerne amüsiere ich mich in meiner freien Zeit mit den Science-Fiction-Filmen vergangener Dekaden, staune allerdings über das naive Denken in diesen Streifen, scheint es doch so einfach zu sein, sich neuen Wohnraum zu erschließen. Obwohl wir nun schon viele Jahre intensiv nach lebensfreundlicheren Orten Ausschau halten, sind wir bisher nicht fündig geworden. Es ist uns sehr bewusst, dass der Planet, von dem wir ursprünglich stammen, wohl einzigartig gewesen ist. Ich brauche weder eine Religion noch irgendeine andere sinnspendende Lehre, aber bei dem Gedanken an die unendliche und vielfältige Schönheit, an den immensen Reichtum der Lebensarten und an die unglaubliche Perfektion der Lebensbedingungen auf dem alten Planeten Erde, glaube ich immer an ein Wunder. Werden wir jemals so eine freundliche Heimat wiederfinden?

Obwohl die Bewohner bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehr konkret um die vielfältigen Probleme auf ihrem Mutterplaneten wussten, taten sie doch nichts daran, diese zu beseitigen. Ganz im Gegenteil.

Während die westlichen Sektionen etliche Konferenzen abhielten zur Verbesserung der weltweiten Lebensbedingungen, zum Schutz der Natur vor weiterer Ausbeutung, viele Debatten führten und Beschlüsse fassten, die dann später nicht eingehalten wurden, kam es in anderen Sektionen zu nicht enden wollenden Glaubenskriegen, zu Terroranschlägen mit vielen Toten und Verwundeten, anderen Orts zu Hungerkatastrophen und Massensterben. Niemand war wirklich bereit, sich oder die Umstände zu verändern. Ein kluger Mann aus einer vergessenen Epoche sprach einmal folgendes Wort: „Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es.“

Niemand war bereit, auf den Anderen zuzugehen. Dabei wäre es noch nicht zu spät gewesen. Man hätte nur wirklich einmal innehalten müssen, um das eine und wahre Problem zu erkennen:

Das Fehlen von Menschlichkeit und Liebe. 

 Und  die Konflikte eskalierten.

 Dabei gab es bedrückende Erzählungen, die sich sehr konkret mit dem Untergang des Menschseins befassten. Besonders beeindruckend finde ich die „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley. Ich weiß, dass die Menschen damals ebenso beeindruckt waren, denn das Buch fand großen Anklang. Aber so richtig ernst genommen hat man die Geschichte wohl nicht. Heute gehört die dort beschriebene Zukunft längst der Vergangenheit an, denn die Realität hat sie bei weitem in ihrem ganzen schrecklichen Ausmaß übertroffen.

Man hoffte damals wohl auf den Sieg der guten menschlichen Eigenschaften wie Vernunft und Einsicht, Verantwortungsbewusstsein und Humanität. Man warnte vor dem Leben nach dem Mehr-Prinzip, welches zwar der einen Seite immer mehr Annehmlichkeiten brachte, dafür aber der anderen Seite immer weniger Lebensmöglichkeiten. Warum, so fragten kluge Köpfe, ging man nicht endlich daran, die endlos wehrenden Glaubenskriege zu beenden, indem man den Bewohnern neue und sinnvolle Lebensperspektiven zeigte, die nicht auf Kampf, Krieg und Märtyrertum abzielten? Und warum mussten Bewohner aufgrund von Hunger und Durst qualvoll sterben, während andere sich in ihrem Überfluss langweilten?

Aber wenn die Menschlichkeit stirbt, stirbt auch der Mensch. Einer drückte einen Knopf, ein Anderer meinte darauf antworten zu müssen, und schon gab es kein Leben mehr. Die Erde versank im grauen Nichts.

Manchmal erscheint es mir, als wenn sich die Isolation und die große räumliche Distanz zu den anderen Gruppen auf unser Zusammenleben ausgewirkt haben. Vielleicht leben wir alle seit der finalen Katastrophe in einem kollektiven Schockzustand, denn wirkliche Nähe und ein Zusammengehörigkeitsgefühl empfinde ich für die Anderen und mit den Anderen nicht. Bei gelegentlichen Zusammentreffen spüre ich in mir ein starkes Fremdsein, dabei interpretiere ich wohl nur meine eigene Distanziertheit und die Unfähigkeit, ein Gefühl für jemand Anderes aufbauen zu können. Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, wenn wir ein menschliches Gefühl von Gemeinschaft und Gemeinsamkeit entwickeln könnten, da wir doch nur zusammen diese neue Welt erhalten können? Aber wir sind dem Menschsein gegenüber sehr misstrauisch geworden. Wie können wir stolz darauf sein, zu einer Gattung zu gehören, die es vorzog, sich selbst auszulöschen? Ich spreche von mir nur als einem Bewohner, das Wort „Mensch“ kommt mir selten über die Lippen. 

Die mangelnde Identifikation mit den menschlichen Werten und Beziehungssystemen hat wohl sehr zur Abschaffung derselben in den letzten Jahren beigetragen.

So besteht die Gemeinschaft der Ehe nicht mehr. Wir verlieben uns nicht, leben nicht zusammen, können kein eigenes Heim gründen und zeugen auch keine Nachkommen. Wir erlernen keine Elternrolle, wodurch bei mir oder auch anderen Bewohnern charakterliche Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein, Fürsorglichkeit oder Beschützerinstinkte wenig ausgeprägt sind. Ich meine auch, keine typischen weiblichen oder männlichen Charakterzüge mehr feststellen zu können, da die Möglichkeit zur Auslebung des eigenen Geschlechts fehlt. Aus einigen Romanen der alten Zeit weiß ich, dass man früher nach persönlicher Weiterentwicklung strebte und hierin einen wichtigen Bestandteil des eigenen Lebens sah.

In unserer heutigen Zeit nur noch schwer nachvollziehbar, denn wir haben diese Möglichkeit der Entfaltung nicht.

Eine Seite von mir steht voller Überzeugung hinter dieser Abnabelung vom alten Menschsein.

Aber es gibt auch eine andere Seite, die sich in der letzten Zeit häufiger bemerkbar macht. Sie erscheint mir immer diffus und dunkel. Dann möchte ich am liebsten schnell eine Harmoniepille einnehmen, um mich besser zu fühlen. Die neue Welt kennt keine Natürlichkeit, denn sie ist vollkommen künstlich. Die einzigen lebendigen Wesen sind wir. Wenn meine dunkle Seite von mir Besitz ergreift, dann drängt sich mir  innerlich die Frage auf, ob meine Lebendigkeit noch etwas Natürliches hat?  

Leider sind alle Bewohner, die das Leben auf dem alten Planeten noch kennen gelernt haben, längst entschlafen.

Es gibt eine Störung des Gehirns, die sich Amnesie nennt. Man erleidet dann einen zeitweiligen oder ständigen Erinnerungsverlust. Wie arrangiert man sich mit der Gegenwart, wenn man überhaupt nicht weiß, wer man vorher war? Die Erinnerung formt die Persönlichkeit, hat man doch im Laufe der Jahre vieles gelernt und Erfahrungen daraus gezogen. Ich finde, mir ergeht es in meinem Menschsein wie einem Amnesiekranken. Die Vergangenheit zeigt mir das Schreckensbild der menschlichen Handlungsweise. Wie kann ich da mir selbst und den Anderen vertrauen? Wie weit dürfen wir menschlich sein? Können wir eine neue und bessere Menschlichkeit entwickeln?

Das Wasser im Pool ist bereits für mein morgendliches Badeerlebnis angewärmt, exakt auf meine Körpertemperatur abgestimmt, damit ich mich wohl fühle. Um die Durchblutung meiner Gliedmaßen anzuregen, umsprudelt die Flüssigkeit sanft meinen Körper. Die Wohlfühlfarbe meines Wassers ist an diesem Tag grün, genauer gesagt ein Blaugrün, schillernd und frisch, wie auf alten Bildern von Südseestränden oder Mittelmeerküsten. Mir stehen insgesamt über dreißig Farben zur Auswahl, aber meistens bleibe ich bei den Farben grün und blau, weil sie so natürlich wirken. Natürlich kann ich jede Farbe mit einer Duftnote kombinieren oder ein Meeresrauschen mit Möwengeschrei anstellen. Nach meinem Badegenuss gebe ich einige Tropfen Reinigungsmilch in das Wasser, so dass es mir morgen wieder vollkommen sauber zur Verfügung steht. 

Während ich noch im Pool verweile, registrieren die überall im Raum verteilten Sensoren einen Anstieg des Feuchtigkeitsgehalts der Luft. Sie beginnen lautlos die Luft umzuwälzen, indem sie trockenere Luft mit feuchterer Luft vermengen, um wieder den optimalen Feuchtegrad zu erreichen, der bei mir keine Beschwerden wie Kreislaufprobleme oder unnötiges Schwitzen hervorruft. In unserer Zeit werden wir nicht mehr krank wie früher, arbeiten doch unsere persönlichen Freunde, die Computer, Tag und Nacht daran, für uns die Umwelt so angenehm wie nur eben möglich zu gestalten. Mit Umwelt sind natürlich meine Räume gemeint, in denen ich nun bereits seit über dreißig Jahren lebe. Nur viermal in den vergangenen Jahren musste ich diese Räume notgedrungen verlassen, weil die Verwaltung meinte, die Brandschutzmaßnahmen überprüfen zu müssen. Natürlich gab es nichts zu beanstanden. Das Material der Leitungen, die die notwendigen Daten transportieren, ist resistent gegen Temperaturen. Längst hat man die Bewegung der Informationen, der Bytes und Bits, auf ein konstantes Maß geregelt, um eine Erwärmung oder Überhitzung der Datenbahnen zu vermeiden.

Unsere Verwaltung besteht aus fünf Bewohnern, die wir aufgrund ihres hohen Alters und der daraus resultierenden technischen Erfahrungen dazu befugt haben, ein gewisses Maß an Führung und wohlmeinender Kontrolle ausüben zu dürfen. Wenn die Akzeptanz ihrer Beschlüsse spürbar geringer wird, da sich niemand mehr um ihre Ausführung kümmert (was nachzumessen ist), ist ihre Amtsperiode abgelaufen.

Wenn ich von einem hohen Alter spreche, meine ich damit eine Lebensdauer von 120 bis 130 Jahren. Danach ist durch das permanente Einpflanzen von neuen Organen, Knochen oder Gewebeteilen nicht mehr mit einem exakten Zusammenspiel aller biologischen Funktionen zu rechnen. Stellt man bei einer erneuten Untersuchung irreparable Schäden fest, wird eine weitere Instandhaltung des Körpers nicht mehr genehmigt. Unsere persönlichen Freunde wissen sehr genau, wann es für uns Zeit ist, für immer einzuschlafen. Bei der nächsten Verabreichung unserer Pillen wird es dann eine geben, die uns in den ewigen Schlaf versetzt. Man muss sich davor nicht fürchten, denn die Träume, die uns hinweg führen, sollen sehr schön sein.

Die Zahl der Bewohner für alle Sektionen bleibt stets konstant, eine Überproduktion würde zu Raummangel führen, während eine Unterproduktion zu kostspielig wäre, da nicht alle Räume ausreichend genutzt würden. Daher gibt es eine strenge Kontrolle aller Zu- und Abgänge der Bewohner seitens unserer persönlichen Freunde.

Rede ich zuviel? Obwohl ich es angenehm finde, mich sprechen und über meine Gedanken philosophieren zu hören. Mein persönlicher Freund zeichnet alle meine Gespräche auf, hat es sich doch im Laufe der vielen letzten Jahre heraus gestellt, dass die Bewohner am liebsten sich selbst zuhören, werden dann doch nur die Themen angeschnitten, die am meisten interessieren. Wozu da noch anderen Bewohnern und ihren weitläufigen Gedanken folgen müssen? Allerdings habe ich bereits das Gefühl der Sehnsucht erwähnt. Seit einigen Jahren arrangieren unsere persönlichen Freunde Kommunikationsstunden. Vielleicht wissen sie inzwischen besser als wir, was uns gut tut. Obwohl ich Distanz und Fremdheit verspüre, gibt es doch auch so etwas wie Freude in mir, wenn ich die anderen Bewohner treffe. Eigentlich bin ich nicht gespannt auf das, was sie sagen, sondern eher darauf, wie sie es sagen. Ich bin  fasziniert von der Mimik und Gestik, von der Intensität und Leidenschaft, mit der wir auf einmal ausgestattet sind, wenn wir uns mitteilen wollen. Warum entsteht selbst bei mir ein Gefühl von Begeisterung, wenn sich alle Augen der Gesprächsrunde auf mich richten? Was können mir die Anderen geben, was ich mir selbst nicht geben kann? Ein lustiger Gesprächspartner aus der letzten Kommunikationsstunde gab in jeder Gesprächspause den Kommentar von sich, dass wir doch alle hinter dem Mond lebten. Er erklärte, er habe diese Redewendung aus einem Film übernommen, weil er sie so witzig fand, denn sie ergab absolut keinen Sinn. Wir alle leben doch auf und nicht hinter dem Mond! Auch wir mussten über diese recht seltsame Aussage lachen. Nur wenn die Zusammenkünfte sind, wird es in unseren stillen Räumen lauter. Für jeden von uns sind sie zweimal in einem Zeitraum von dreißig Tagen vorgeschrieben. Ich treffe mich mit verschiedenen, anderen Bewohner in den großen Versammlungsräumen. Unsere Gesprächsrunden dauern ungefähr zwei Stunden, wobei es vorgeschrieben ist, mit mindestens fünf Bewohnern zu kommunizieren. Dabei ist der Redeanteil auf fünf Minuten beschränkt, damit ein Jeder seinen Beitrag leisten kann. Die Gespräche werden genauestens aufgezeichnet, denn nach den Kommunikationsstunden erhält jeder Teilnehmer von seinem persönlichen Freund einen Fragebogen, der den genauen Ablauf und die einzelnen Themen dieser Stunden abfragt. Dann muss die Quintessenz eines jeden Gesprächs wiedergegeben werden. So wird geprüft, inwieweit man sich auf seinen jeweiligen Gesprächspartner eingestellt und ihm zugehört hat. Für die genaue und detaillierte Wiedergabe einer jeden Kommunikation werden Punkte vergeben. Fehlen wichtige Bestandteile des Gesprächs, oder hat man am Ende sogar das ganze Thema nicht parat, gibt es strenge Punktabzüge. Nach Ablauf von drei Gesprächsperioden werden dann die Punkte eines jeden Bewohners errechnet. Derjenige mit den meisten Punkten ist periodischer Kommunikationssieger und darf vor der versammelten Bewohnerschaft eine persönliche Rede halten, in der dann meistens von neuen technischen Errungenschaften oder interessanten Virtualfilmen gesprochen wird. Diese Themen interessieren uns alle, bringen doch Weiterentwicklungen mehr Lebensspaß und Wohnkomfort, während die Filme den Alltag versüßen.

Die virtuellen Filme sind für uns alle außerordentlich wichtig, verbringen wir doch die meiste Zeit damit, uns in ihren Welten aufzuhalten. Durch eine  ausgereifte Technik ist es mir und auch allen anderen möglich, all das zu erleben, was uns die Realität vorenthält. Der Computer erfragt meine Wünsche detailliert, so dass es ihm möglich ist, genau die Orte, Zustände und Situationen zu erschaffen, die meinen Vorstellungen entsprechen. Dann setze ich meinen Raumhelm auf und beginne meine Reisen. Meistens fliege ich  zurück in die Vergangenheit. Nicht etwa, um gegen Drachen zu kämpfen oder in den Weltenraum zu düsen. Ganz im Gegenteil: Ich suche nach Natürlichkeit. Ich genieße einen Spaziergang durch einen hellgrünen Frühlingswald. Ein anderes Mal liege ich am Ufer eines grenzenlosen Meeres und werfe einen langen Blick über den Horizont. Dabei spüre ich den sanften Wind, der mein Gesicht umfächelt und schmecke Salz auf meiner Haut. Oder ich befinde mich des Nachts auf einem Feld und erblicke den funkelnden Sternenhimmel. Immer brennt in mir dann ein Gefühl, als wenn sich mein ganzes Wesen dieser unendlichen Weite entgegen streckt. In solchen Momenten erfühle ich mein Leben und das der ganzen Welt. Ich bin mit allem vereint.

Wenn mir nach Spielen oder Abenteuern zumute ist, versuche ich mein geringes Talent beim Fußball- oder Baseballspielen. Um uns herum jubeln die Massen in einem riesigen Stadion, ich bin aufgeregt.

Manchmal bin ich auf meinen Trips nicht alleine, sondern habe eine Frau und Kinder bei mir. Und wir lachen und sind gemeinsam glücklich.

Wenn ich nach einer Weile in meine eigene, künstliche Welt zurück kehre, die vielen glimmenden Geräte aus Chrom und Stahl betrachte oder womöglich einen Blick auf die karge Mondlandschaft werfe, bin ich verwirrt. Natürlich haben wir gelernt, mit diesem permanenten Wechsel der Realitäten umzugehen. Aber trotzdem fällt es mir manchmal schwer zu begreifen, warum mir die anderen Möglichkeiten eines natürlichen  Daseins für immer verwehrt bleiben. In solchen Momenten verstehe ich meine innere Sehnsucht und mein Suchen. Aber ich weiß auch, dass etwas anderes niemals sein wird. 

Meine Arbeit erledige ich nebenbei, zum Glück ist sie auf drei Stunden pro Tag festgelegt, so dass mir viel Zeit für meine Aktivitäten bleibt. Jeder der Bewohner arbeitet nicht mehr als diese drei Stunden, denn sonst wäre nicht für alle Arbeit da. Aber es wird als notwendig angesehen, uns sowohl die angenehmen Dinge als auch die Pflichten, die es manchmal im Leben gibt, beizubringen. Im Wesentlichen bin ich bei meiner Aufgabe mit der Kontrolle der Daten für eine geregelte Luftkonzentration in unserer Sektion verantwortlich, da wir die Atemluft künstlich herstellen müssen. Schon kleinste Unregelmäßigkeiten in der Sauerstoffherstellung können massive Folgen für unsere Bewohnerschaft haben, reagieren doch die Lungen sehr empfindlich auf nicht exakte Luftgemische. Bisher ist es jedoch erst ein einziges Mal vorgekommen, dass ich eingreifen und die Maschinen korrigieren musste.

Wenn uns eines im Leben beigebracht wurde, dann war es die Forderung nach perfekter und exakter Arbeit. Unsere Welt ist fragil, schon der kleinste technische Fehler kann verheerende Folgen für unseren Fortbestand haben. Und die Arterhaltung ist das oberste Ziel einer jeden Gattung.

Wir existieren durch die Maschinen, schaffen sie doch das künstliche Umfeld, indem wir leben, da die natürlichen Ressourcen aus alten Zeiten längst verloren sind. Alles wird uns von den Maschinen gegeben, die wir einmal selbst erschaffen haben, die aber bereits seit Jahrhunderten die absolute Kontrolle über jegliches Dasein übernommen haben. Wir Bewohner haben dafür zu sorgen, dass die Maschinen uns ihre Dienste stets zur Verfügung stellen. Es ist eine gegenseitige Abhängigkeit, die aber beide Seiten zufrieden stellt.

Wie bereits erwähnt, muss die Zahl der Bewohner einer Sektion konstant gehalten werden, da nur begrenzte Unterbringungsmöglichkeiten bestehen. Unsere persönlichen Freunde errechnen die Geburtszahlen pro Jahrgang. Nachdem die Verwaltung den Planzahlen zugestimmt hat, werden in den Geburtsstätten die neu benötigten Bewohner in Produktion gegeben. Krankheiten und genetische Defekte sind ausgeschlossen, nur absolut gesunde Ei- und Samenzellen werden für die künstliche Befruchtung verwendet, das Heranwachsen der Embryos wird durch ausgeklügelte Brutmaschinen sichergestellt, selten gibt es Abgänge. Nach der neunmonatigen Brutphase kommen die neuen Bewohner in sogenannte Aufzuchtsstätten, da sie durch ihre ungenügende Lebensfähigkeit auf die Hilfe von anderen Bewohnern angewiesen sind. Dort verbleiben sie drei Jahre. Danach beginnt die Ausbildung für die später zu verrichtende Tätigkeit. Das Erlernen der unterschiedlichen Aufgaben wird durch den persönlichen Freund überwacht, der eigens für den Bewohner, seine Fähigkeiten und Bedürfnisse, eingerichtet wurde. Er wird unser ständiger Begleiter und ist in jedem Augenblick unseres Lebens für uns da.

 Jemand aus einer früheren Zeit möchte vielleicht fragen, worin der Sinn unserer Daseinsform besteht? Darauf kann ich nur antworten, dass es keinen Sinn gibt. Ich lebe, und ich bin froh zu leben.

Bisher sind es die Maschinen, denen ich vertraue. Aber immer öfter höre ich tief in mir eine zaghafte Stimme, die mir leise sagt, dass ich mir selbst vertrauen kann. Vielleicht gelingt mir ein neues Menschsein? Ich wünsche es mir sehr. 

Manchmal öffne ich eine der automatischen Luken meines Raumes und schaue auf den Planeten, von dem wir alle kommen. Er leuchtet nicht mehr.