Engel-Geschichte

(von Hans)

Jetzt hatte es mich auch erwischt. Lag zwei Wochen wegen einem Burn out Syndrom im Krankenhaus. Neben mir in der Klinik lag ein Familienvater der etwas für seine kleine Tochter auf eine Postkarte schreiben wollte. Die Karte zeigte einen Engel, so für Kinder gemalt, mit Zöpfen und buntem Kleid. Der Vater bat mich ihm zu helfen und es so entstand folgendes Gedicht:

Engel Marie (so hiess der Engel auf der Karte)

Fliegen kann sie in die Lüfte
sie wird niemals rückwärts sehn
Und da stehen Engelswesen
Die mal kommen und mal geh’n
Schaut sie zwischen Vorhangspitzen
sieht sie es, das Engelsgold
Es ist weiss und schön und mächtig
Und die Haare glänzen hold
Marie heisst das lieblich’ Wesen
Zöpfe hat es und ein Herz
Es hilft dir bei deinem Kummer
Und es nimmt dir deinen Schmerz
Marie ist die Allerschönste
Und hat einen schlauen Rat:

Werde niemals müd’zu lachen
Schau, wie es der Engel tat

zwänge

(von LULU)

sie machen mich kaputt.
manchmal habe ich das gefühl ich schaffe es nicht mehr.
eine chance wieder normal zu leben – gibt es die überhaupt noch?
habe ich das recht meinem freund und meiner tochter so ein leben zuzumuten?
habe wieder von der lva bescheid bekommen. muss wieder zur reha.
die erste sie war im oktober hat nichts gebracht.
jetzt soll ich wieder los für mindestens 6 wochen.
wie geht es dabei meiner tochter?
wieder weg. wieder alleine. wieder vielleicht die einzige die diese krankheit hat. wieder keinen der mich versteht,der es nachvollziehen kann wie es mir geht.
hoffnung was ist hoffnung?

Chaos im Kopf

(von Frau V.)

DENKEN! – Die Augen öffnen. Erwachen. Verwirrung … DENKEN … Ich bin müde … DENKEN … Sich erheben.

Der Tag beginnt und das … DENKEN … Der Tag lebt. Es ist alles wie immer … DENKEN … Was wollte ich tun? … DENKEN … Ich weiß es. Schnell! Tun! Der Wille ist mein Führer. Doch dann … DENKEN … Der Kopf tut weh. Stress: koordinieren, planen – Unerwartetes – aushalten, umwerfen, neu planen. Das ist alles, was Bedeutung für dich hat … DENKEN … Jemand spricht mit mir … DENKEN … Was? Ich kann sie nicht verstehen. Es tut mir leid. Es ist nicht meine Schuld. Ich kann nichts dafür … DENKEN … DENKEN …

Es wird dunkel. Ruhige Minuten. Luft holen. Doch mein Kopf tut so weh. An morgen … DENKEN … Ich bin müde. – So müde. – Ich möchte schlafen. – Nur schlafen. – Ich wünschte, es wäre anders. Normal … DENKEN … Erkenntnis: “Wenn du es nicht ändern kannst, dann musst du damit leben!” Ich kann nicht! … DENKEN …”Du musst!” Die Augen schließen. Verständnis. Ich möchte nicht … DENKEN … Nur einmal. Einen einzigen Tag. Nicht … DENKEN … Nur … DENKEN … an was ich möchte. Nicht … DENKEN … an was ich muss. Nur leben – ohne dem Chaos in meinem Kopf. – Denn schon so viele Jahre … DENKEN … und nichts dagegen tun können. Gefühle gegen Verstand … DENKEN … Deine Ängste – sie machen dich dumm.

– schlafen … DENKEN …! – Die Augen öffnen. Erwachen. Verwirrung … DENKEN …

Pferde-Erlebnis

(von Gabriele R.)

Am Mittwoch nach dem Reitunterricht führte ich Flora am Zügel zum Reitstall. Der Stall liegt ca. 50 m von der Halle entfernt, wobei eine Strecke komplett dunkel und matschig ist. Während wir zum Stall gingen, rauschte ein Auto über den nahe liegenden Feldweg, Flora scheute, wurde unruhig und wollte hochsteigen. Ich habe sie fest am Zügel gepackt (knapp unter ihrem Kopf) und ihr gut zugeredet, doch bitte schön ruhig zu sein. Die Reitlehrerin ging hinter uns und wollte etwas sagen, blieb dann nach ein oder zwei Wörtern ruhig. Die Stute wand wich noch ein bisschen und legte dann ihren Kopf auf meine Schulter und stand ganz ruhig und atmete tief. Das hat sie schon einige Male gemacht, ich stehe dann ebenfalls sehr ruhig und bewege mich nicht.
Diese Geste ist für mich ein Zeichen großen Vertrauens. Es tut gut, ihren großen schweren Kopf auf meiner Schulter zu spüren. In solchen Momenten sind wir ein Team, das Pferd und ich. Das ist eine schöne Nähe!
Wenn der Pferdekopf auf meiner Schulter ruht, dann werde ich gewissermaßen geerdet. Das Gewicht drückt mich ein bisschen zu Boden, und dann spüre ich, wie ich ein Gegengewicht zum Pferd bilde. Wir stützen uns für einen kleinen Moment, was ein sehr schönes und inniges Gefühl ist.

GEDANKENSPIEL

(von Bert)

GEDANKENSPIEL

Die Macht der Gedanken   –   oder   –   Der alltägliche Irrgarten

Zwangsgedanken beherrschen den Tag – rund um die Uhr.
Egal, wo ich mich aufhalte – die Gedanken sind immens und überall.
Nur „eine“ Stunde aus dem Leben beschreib ich hier in ein paar Zeilen:

Ich sitze im Wohnzimmer auf der Couch – natürlich mal wieder allein.
Ein Grübeln beginnt und erobert die Macht – ich kann mich dagegen nicht wehren.
Die Gedanken ergreifen Erlebnisse auf – die Vergangenheit holt mich zurück.
Ich denk an „frühere Zeiten“, dort, wo das Leben noch in Ordnung schien.
Schönes war vorhanden, ich war glücklich, zufrieden, fühlte mich gesund.
Gute Freundschaften gab es „damals“, es fehlte an nichts –
ich war, so schien es, ein ganz „normaler“ Mensch!

Die Gedanken, sie gehen weiter, in das ewige „Hier und Jetzt“.
Ich sehe die schöne Natur, die mich beschenkt mit idyllischer Ruhe.
Ich höre ein angenehmes Rauschen und Plätschern eines Baches.
Ich spüre den rauhen Wind und ein wohlig mildes Klima.
All das kann mich nicht aufmuntern – Geräusche, die ich nicht wahrnehme.
In meiner inneren Gefühlswelt herrscht ein ewiges Durcheinander –
eine Unzufriedenheit begleitet mich Stunde für Stunde, Tag für Tag.

In Gedanken hoffe ich:
„Gleich klingelt es an der Tür – ein Besucher naht heran.
Ein guter Freund, Garant für ein harmonisches Miteinander, so wie früher“.
Dann schau ich auf’s Telefon:
„Ein Klingelzeichen soll mich aufmuntern und mir zeigen,
es gibt sie noch, die Mitmenschen, die mich akzeptieren und mögen“.
Aber leider bleibt alles nur ein Gedankenspiel!

In Gedanken steh ich in einem tiefen dunklen Loch,
umgeben von Menschen, die alle auf mich herabsehen.
Menschen mit großen Vorurteilen und ohne Verständnis, so scheint es –
wo sind die guten Menschen geblieben – und wo die Gleichwertigen, die Leidensgefährten.
Ich wünsche mir Freundschaften und Bekanntschaften.
Ich wünsche mir Wärme und Geborgenheit von einer lieben Person.
Die Freizeit würde ich gerne mal wieder entspannter verbringen.
Ein Urlaub würde mir guttun – und überhaupt mehr Ruhe und Ausgeglichenheit.
Sich wieder erfreuen an der schönen Natur – nicht allein, gemeinsam mit andern.
Sich wieder erfreuen an den „normalen Dingen“ des Lebens.

Sehnsüchte, die ein jedes Herz erfreuen.
Sehnsüchte, die eine größere Lebensfreude versprechen.
Soll das alles nur ein Traum bleiben?
Sollen die Gedanken mich weiter verwirren?
In tiefen Gedanken beginne ich den Tag – und in tiefen Gedanken verlasse ich ihn.

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Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein,
langen und bangen in schwebender Pein,
himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt –
glücklich allein ist die Seele, die liebt. 
Goethe

1. Februar – kurze Notiz

(von Juliane)

1. Februar

eine kleine Notiz am Rande:
Auf der Fensterbank im Wohnzimmer steht ein (älterer) Weihnachtskaktus. Der hat  auch brav und wunderschön geblüht, allerdings schon im November. Seine kleine Schwester daneben zeigte sich solidarisch – mit einer einzigen Blüte.

Zur Zeit blüht der Weihnachtskaktus erneut: üppig und wunderschön. Seine kleine Schwester daneben hat aus  Solidarität wieder eine einzelne Blüte.

Drei Erklärungsversuche einer Nicht-Biologin:
Der Kaktus hat Alzheimer und weiß nicht mehr, dass er vor kurzem schon einmal geblüht hat.
Der Kaktus meint es gut mit uns, er mag uns und will uns eine Freude machen.
Der Kaktus passt sich seiner Besitzerin an – er ist inzwischen so verrückt wie sie.

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